Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 01.09.1999
Aktenzeichen: 5 U 1974/98
Rechtsgebiete: VOB/B


Vorschriften:

VOB/B § 16 Nr. 3
§ 16 Nr. 3 VOB/B

(Schlussrechnung im Prozess)

Weist das Landgericht die klagende Partei darauf hin, ein paralleles Vorgehen aus Schluss- und Abschlagsrechnung sei nicht zulässig und stellt die klagende Partei nunmehr klar, dass sie den bezifferten Restbetrag als Schlussvergütung fordert, so kann das Landgericht die Klage jetzt nicht mehr mit der ursprünglichen Argumentation abweisen.

Denn die Klägerin hat zulässigerweise im Rechtsstreit die Schlussrechnung erstellt und die Klage zulässigerweise geändert.

OLG Koblenz Urteil 01.09.1999 - 5 U 1974/98 - 4 O 24/98 LG Mainz


Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. September 1999 durch die Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach, Dr. Menzel und Weller für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 27. Oktober 1998 und das ihm zugrunde liegende Verfahren aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht Mainz zurückverwiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen.

Gründe

Die Parteien schlossen unter Einbezug der VOB am 16. Mai 1995 einen Werkvertrag. Die Klägerin verpflichtete sich gegen einen Pauschalfestpreis von DM 165.000, die Erd-, Maurer- und Betonarbeiten für ein Bauvorhaben der Beklagten auszuführen. Das Bauwerk ist erstellt. Die Klägerin begehrt restliche Vergütung; die Beklagten machen Mängel geltend und rechnen mit Gegenforderungen auf.

Die Klägerin hat zunächst die Zahlung von DM 30.500 begehrt und dies gestützt auf die "Schlussrechnung Nr. 336/95" vom 7. November 1995. Sie hat die Forderung später reduziert auf den Betrag von DM 29.559,04 (71 GA).

Nachdem das Landgericht die Klägerin hingewiesen hat "auf Bedenken bezüglich der Korrektheit der Schlussrechnung" (76 GA) bzw. darauf, dass die Klägerin nebeneinander unzulässigerweise Abschlags- und Schlusszahlung begehre (88/89 GA), hat die Klägerin ihre Abrechnung erläutert mit den Schriftsätzen vom 6. und vom 9. Juli 1998 (79-86 GA).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit dem angefochtenen Urteil, gegen das die Berufung mit der Anregung geführt wird, das Verfahren unter Niederschlagung der Gerichtskosten zurückzuverweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, den Hinweis- und Vergleichsvorschlag des Senats vom 27. März 1999, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze zweiter Instanz und die zu den Akten gereichten Urkunden sowie die Akten des Verfahrens 5 U 1973/98 OLG Koblenz.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat einen vorläufigen Erfolg.

Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des zugrunde liegenden Verfahrens ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Das Verfahren des ersten Rechtszugs leidet an einem wesentlichen Mangel, und zwar gerade dann, wenn die materiell-rechtliche Beurteilung des Landgerichts als zutreffend zugrunde gelegt wird (Zöller-Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 539, Rdnr. 3). Da sich das Landgericht mit den zahlreichen Einwänden der Beklagten überhaupt nicht befasst hat, erachtet es der Senat als sachdienlich, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt in der Regel dann vor, wenn Parteivorbringen fehlerhaft behandelt wird. Derartiges ist zum Beispiel anzunehmen, wenn eindeutiger Parteivortrag übergangen bzw. sachwidrig gewürdigt wird oder eine zulässige Klageänderung nicht beschieden wird (Zöller-Gummer, aaO, Rdnr. 8). So ist es hier gewesen.

Zu Recht hat das Landgericht zunächst angenommen, dass ein paralleles Vorgehen aus Schluss- und Abschlagsrechnung nach ständiger Rechtsprechung nicht zulässig ist. Die "Schlussrechnung" vom 7. November 1995 und die hieran anknüpfende Klagebegründung sind zumindest missverständlich. Ob tatsächlich hierin ein paralleles Vorgehen aus Abschlags- und Schlussrechnung zu sehen ist, hat der Senat nicht zu entscheiden, weil insoweit der materiell-rechtliche Standpunkt des Landgerichts der Beurteilung zugrunde zu legen ist. Gerade deswegen aber musste das Landgericht die infolge seines rechtlichen Hinweises gegebenen Erläuterungen und prozessualen Erklärungen der Klägerin beachten und sachlich befinden.

Die Klägerin hat im Verlaufe des Rechtsstreits mehrfach erläutert, wie sie die Rechnung verstanden wissen will und dann eindeutig klargestellt, dass die Nachbesserungsarbeiten ordnungsgemäß erbracht seien und der geltend gemachte Restbetrag von DM 29.549,04 die (Schluss-)Vergütung darstelle, die sie insgesamt für ihre Leistungen aus dem Bauvertrag abschließend geltend mache. Damit hat sie jedenfalls im Verlaufe des Rechtsstreits Schlussrechnung erteilt (OLG Köln, NJW-RR 1992, 1375; Ganten-Jagenburg, VOB/B, § 16 Nr. 3, Rdnr. 33,34; Ingenstau-Korbion, VOB, 13. Aufl., B § 16 Nr. 3, Rdnr. 96, insbesondere Rdnr. 98). Die Abrechnung ist, weil ein Pauschalfestpreis vereinbart ist und sich die Klägerin nur mit sachlichen Einwänden verteidigt, prüf fähig (BGH MDR 1999, 33; BGHZ 136, 342).

Das Landgericht hat gleichwohl in der Folgezeit unterstellt, die Klägerin gehe parallel aus der Schluss- und der offenen Abschlagsrechnung vor, und diesen Sachverhalt beschieden, der erkennbar nicht (mehr) zur Entscheidung gestellt war. Die Klarstellung der Klägerin, dass und wie sie ihren restlichen Werklohnanspruch abschließend berechnet, war eine privilegierte Klageänderung (Werner-Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl., Rdnr. 1229), mithin zulässig und vom Landgericht sachlich zu befinden. Statt dessen hat es mit dem angefochtenen Urteil einen Streitgegenstand abgehandelt (paralleles Vorgehen aus Abschlags- und Schlussforderung), der gar nicht (mehr) zur Entscheidung stand. Dieses Vorgehen lässt eine Aufhebung und Zurückverweisung ratsam erscheinen, da überhaupt noch keine Sachaufklärung stattgefunden und sich das Landgericht mit den Einwänden der. Beklagten sachlich nicht befasst hat. Da der endgültige Ausgang des Verfahrens noch völlig ungewiss ist, wird dem Landgericht auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens übertragen. Die gerichtlichen Kosten der Berufung werden gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG niedergeschlagen.

Der Streitwert und die Beschwer betragen DM 29.559,04.

Ende der Entscheidung

Zurück